Erinnert Ihr Euch? Die erste Zeit in den USA verbrachten wir vor allem mit „Anpassung“ – an das Klima und diverse andere Dinge – bis der Hunger kam. Auf Sightseeing. Ein kleiner Abstecher zur Olympia-Kanu Strecke befriedigte diesen Hunger, wenigstens kurz. Immer noch möchte ich raus und die Gegend erkunden und mein Wunsch findet Gehör! Für den nächsten Tag stehen der Lookout Mountain und Rock City auf dem Plan. Es geht also früh raus und wir starten in Richtung der „Felsenstadt“, in der es eine Märchenhöhle gibt. Für unseren Gastgeber eine „Verunglimpfung der deutschen Märchenkultur“, wir bleiben gespannt. Es geht quer durch Chattanooga, die viertgrößte Stadt Tennessees. Es gibt schöne und weniger schöne Gegenden, einen Stadtteil schätzen wir laut unserer Gastgeber richtig ein: „Ach ja, da wird auch jede Nacht einer erschossen“.

Fotowut und Sommer zum mitnehmen
Nachdem sich Andreas mehrfach über seinen Blutdruck aufgrund der steilen Straße beschwert hat, landen wir sicher am Parkplatz. Pick-Up reiht sich hier an Pick-Up. Chattanooga entstand übrigens aus dem Handel mit den Cherokee-Indianern, die später gewaltsam umgesiedelt wurden, um der blühenden Stadt am Tennessee River Platz zu machen. Berühmtheit erlangte Chattanooga auch durch den Song „Chattanooga Cho Cho“ von Glenn Miller. Das Swingstück erhielt die erste goldene Schallplatte der Musikgeschichte. Bis heute steht die Dampflok als Hotel im historischen viktorianischen Bahnhof der Stadt. Personenzüge fahren heute allerdings keine mehr.


Wir kaufen derweil ein Kombiticket und buchen das Aquarium für den nächsten Tag gleich mit – immerhin eines der größten der Welt. Bei fast 40 Grad geht es in den wirklich liebevoll gestalteten Garten und wir packen unsere Kameras aus. „Sommer, geil, können wir das mitnehmen?“ sagt Andreas und wir tauchen ein in die Welt des Ehepaars Carter. Steinbrücken überspannen einen schmalen Pfad, der die Felsen durchschneidet. Hinter jeder Ecke wartet ein Motiv, ziemlich schnell erreichen wir den „Big man squeeze“ und der Name scheint Programm. Große Männer wie Andreas passen wirklich kaum durch den schmalen Spalt, wir müssen die Rucksäcke absetzen und mein Gatte quetscht sich seitwärts durch das Nadelöhr. Auf der anderen Seite erwarten uns Gartenzwerge, verschlungene Wege, Brücken und Blumen, wohin das Auge reicht. Andreas packt die Fotowut und eine Blüte nach der anderen springt ihm zufällig vor die Linse. Ich sauge den verträumten Eindruck des Gartens in mich ein, es macht einfach Spaß durch dieses Naturwunder hindurch zu schlendern.
Über 900 Scheunendächer für eine Attraktion

Etwa auf der Hälfte, die wir nicht ganz so schnell erreichen, da Andreas mittlerweile bei den Blütenblättern angekommen scheint, spannt sich eine Suspension Bridge über die Schlucht. Ein Ehepaar kommt uns von der anderen Seite entgegen. „Just in the middle it´s a little bit bumpy“, sagen sie. Das beruhigt mich. Rock City Gardens erlangten übrigens Berühmtheit als ihre Eigentümer Garnet und Frieda Carter 1935 Clark Byers engagierten, um auf Scheunen für Rock City zu werben. Byers bemalte tatsächlich über 900 Scheunendächer in 19 Staaten.

Wirklich zu einer Attraktion mutierte Rock City jedoch erst im 20. Jahrhundert. Geplant als Wohngegend erhielten die 2,8 Quadratmeter Land auf dem Berg den Namen „Fairyland“. Frieda Carter liebte die Folklore. Sie schließlich verwandelte das Areal in einen Steingarten, pflanzte Wildblumen und importierte deutsche Statuen. Mit einer Schnur markierte sie den heutigen Pfad, der sich um den Felsen schlängelt. Immer noch spürt man ihre Liebe zum Detail und zur Natur. Meine Liebe zur Höhe hält sich hingegen immer noch in Grenzen und ich tapse über die wackelnde Brücke. In der Mitte möchte Andreas ein Foto schießen, aber ich kann nicht entspannt gucken. Schade. Angekommen auf der Aussichtsplattform blicken wir auf Tennessee, das sich so ganz anders als Idaho und Montana präsentiert. Anstelle von grasigen Hügeln und wilden Creeks sehen wir Wald, meilenweit. Radagast hätte seine wahre Freude an den nie endenden Wäldern. Andreas entdeckt ein Adlerpärchen, während ich die Aussicht genieße.

Diesmal sitzt der entspannte Blick
Trotz mehrfachem Objektivwechsel will das Adlerfoto einfach nicht gelingen und ich entledige mich derweilen meinem Pullover. Als ich ihn in den Rucksack stopfen möchte, schaut mich ein kleiner quietschbunter Salamander aus dem Busch heraus an. Ich denke an eine Schlange und reagiere nicht schnell genug. Leider, das Kerlchen hätte wirklich ein prima Model abgegeben. Bevor ich realisiere was mich da keck anschaut, verschwindet das Kerlchen auch schon wieder. Andreas jagt immer noch Adler und gefühlte 500 Fotos später geht es weiter. Wir passieren den knapp 1000 Tonnen schweren „Balanced Rock“ und endlich kann sich Andreas belichtungstechnisch am Wasserfall austoben. Diesen legten die Eigentümer ebenfalls künstlich an. Mich ängstigt die ins Tal ragende Plattform etwas, aber diesmal sitzt der entspannte Blick und wir schaffen mehr als ein Selfie. Hinter den Märchenhöhlen enden die Rock City Gardens und diese halten was Helge versprochen hat – die schrille Verunglimpfung der deutschen Märchenkultur.

Wir haben erst einmal Hunger und danach geht es weiter zur Incline Railway und zu den Ruby Falls. Mehr dazu jedoch im nächsten Blog. Rock City Gardens haben mich beeindruckt, man spürt wirklich mit wieviel Sorgfalt und Liebe diese Gärten einst angelegt wurden. Auch wenn ich Frieda Carter nie kannte, ihr Engagement und ihr Herz haben Spuren hinterlassen – und die führen nach Chattanooga.
Wie gewohnt fasse ich alle Bilder für Euch noch einmal in einer Galerie zusammen. Auch den ersten Teil findet Ihr wie immer hier.
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