• Startseite
  • Über mich
  • Meine Welt in Bildern
  • Berufliches
  • Gästebuch
  • Impressum
  • Datenschutzerklärung

Dort unten herrscht Dunkelheit……(1)

15. April 2019

Vor uns liegt Dunkelheit…..

Wir fahren nicht das erste Mal auf eine Fototour, aber das erste Mal habe ich Respekt vor dem, was uns erwartet. Es geht in einen verlassenen Bunker und vier Stockwerke unter die Erde. Licht gibt es dort nicht und Hinweisschilder auch nicht. Uns erwarten 14.000 Quadratmeter Dunkelheit und eine Motivjagd, die zumindest mir einen gepflegten Schauer über den Rücken jagt. Tatsächlich wartet nicht an jeder Ecke ein schönes Bild wie zum Beispiel in den Beelitz Heilstätten. Dieses Mal müssen wir wirklich suchen, der Begriff „Motivjäger“ passt heute besonders gut – aber wie heißt es so schön? Im Dunkeln….


Viel Schlaf gibt es in der Nacht vor unserer Tour nicht, denn unser Ziel liegt nahe der polnischen Grenze. Zwar verneigt sich sogar der SUV vor unserem Gepäck aber wir brauchen für unser Vorhaben vor allem Eins: Licht. Viel Licht. Wo wir hinwollen, gibt es keins. Jahrelang durfte niemand von der Anlage etwas wissen. „Sarin“ stellte die Besatzung dort her und „N-Stoff“. Bei beiden Stoffen handelt es sich um eine chemische Waffe. Wer zum Beispiel „Sarin“ in hoher Konzentration einatmet, leidet innerhalb von Sekunden an Bewusstlosigkeit und Krämpfen, nach spätestens zwei Minuten folgt der Atemstillstand. Seiner schrecklichen Eigenschaften zum Trotz kam der Giftstoff durchaus bereits zum Einsatz. Wir besuchen mit unserer Tour ein Ziel, wo die Sarinherstellung zum Glück nie fertiggestellt wurde.

„Unter Verschluss“ sollten die Anlagen bleiben – höchste Geheimhaltung galt hier

Ich stelle ein paar Laternen auf….

Unter einem Tarnnamen gehörte die Anlage zu einer ganzen Reihe von Munitionsfabriken, die im Auftrag der Wehrmacht für den 2. Weltkrieg entstanden. Niemand durfte davon wissen. Gleich zwei gefährliche Stoffe sollten hier entstehen. Zum einen das bereits angesprochene „Sarin“ und außerdem „N-Stoff“, ein farbloses hellgelbes Gas. Aufgrund der schwierigen Handhabung kam dieses Gas nie zum Einsatz. Heute steht der gut 14.000 Quadratmeter große Bunker leer. Beschriftungen an den Wänden, Gasmasken, herrenlose Schuhe und dicke Panzertüren erinnern noch immer an seine düstere Geschichte. Ohnehin herrscht dort eine bedrückende und unheimliche Atmosphäre, so stellt sich die Location auf der Website unseres Veranstalters vor. Noch haben wir gut 300 Kilometer vor uns, aber ich kann mir die bedrückende Atmosphäre ausmalen. „Das Licht darf nie ausgehen“, sagt einer der Tourguides im Nachhinein zu uns – und ich gebe ihm Recht. Über vier Etagen führen die verschachtelten Gänge und Räume in die Tiefe, so viel wissen wir schon. Und natürlich kommen wir zwanzig Minuten zu spät, wie bei jeder Fototour dieses Veranstalters.

Wie zwei Verurteile hängen „Jack“ und „Jenny“ an meinem Rucksack

Nach drei Stunden auf diversen Autobahnen geht es ein paar Kilometer durch den Wald. Wir sehen kein einziges Gebäude bis wir am Parkplatz ankommen. Wer das Areal früher erreichen wollte, musste durch zwei Kontrollpunkte. Heute erwarten uns dort aber nur der Tourguide und Mitglieder des Paintball-Vereins, der das weitläufige Areal für sein Hobby nutzt. Meine stummen Begleiter fallen als Erstes auf. „Jack“ und „Jenny“ hängen wie zwei Verurteilte an meinem Rucksack, der übrigens stolze 17 Kilogramm wiegt. Andreas schleppt noch mehr Gewicht mit sich herum, ganze 21 Kilogramm hat er auf dem Buckel. Dazu kommen die Stative und diverser Kleinkram. Alles muss mit, schließlich darf das Licht nie ausgehen. Über sieben Stunden werden wir das Gepäck jetzt mit uns herumtragen. Wir bekommen ein Bändchen und müssen unterschreiben, dann geht es zur Fotobase. „Der Bunker ist unglaublich verwinkelt, lasst euch genug Zeit nach hinten raus“, diesen Tipp bekommen wir noch mit auf den Weg.

Mit ein paar Tipps geht es in den Untergrund

Viel Zeit bleibt uns an der Base nicht. Wir sammeln ein weiteres Pärchen ein und schon geht es in den Untergrund mitsamt dem Guide, der ein paar Laternen zur Orientierung aufstellen möchte. Unscheinbar und überwuchert, hinter rostigem Wellblech liegt der Eingang irgendwo im Wald. Von außen sieht man lediglich die monströsen Lufttürme der Anlage. „Wenn die Türme liefen, hatten die im Dorf unten Fön“, erzählt uns der Guide. Hinter einer knallgelben dicken Panzertür erwartet uns völlige Finsternis und ein langer schmaler Gang, verkleidet mit dreckigen kalten weißen Fliesen. Überall zweigen Türen ab, jedenfalls gab es solche irgendwann einmal. Manche liegen auf dem Boden, manche hängen schief in ihren Angeln und andere existieren schlicht nicht mehr. Dreck, Staub und Schutt liegen in den Ecken. Rohre brechen aus den Wänden, alte Kabel hängen von der Decke. Unsere Taschenlampen zeichnen helle Kreise in die Dunkelheit, dahinter herrscht absolute Finsternis. Ziemlich schnell, nach einem rechts-links-rechts-Knick finden wir unser erstes Motiv. Unser Guide lässt eine Laterne da und dringt tiefer in die Dunkelheit vor, allein. Vor uns hat ein anderes Gespann den mit Schutt übersäten Raum für sich entdeckt. Wir warten, ich höre die Anderen…noch. Putz schält sich von den Wänden wie die Haut vom Körper eines Leprakranken. Mich packt der Bunker nach wenigen Metern. Während sich unser Mitstreiter pedantisch künstlerisch entfaltet, schleppt sie die Fotoausrüstung. „Jaaaaaaaa…..das ist fast perfekt!“ ruft er. Aber eben nur fast. Irgendwann hat auch dieses Gespann das gewollte Bild im Kasten und wir bleiben allein. Durch die meterdicken Wände dringt kein Geräusch aus der näheren Umgebung. Es herrscht Stille. Das Klicken des Fotoapparates bleibt für einen kurzen Zeitraum das einzig Hörbare.

„Jack“ macht einen guten Job

Viereinhalb statt vier Etagen

1939 starteten die Bauarbeiten zu dieser Anlage, die von Anfang an eine unterirdische Produktionsstätte darstellen sollte. Bis 1945 entstand hier der gefährliche „N-Stoff“ im Auftrag der Wehrmacht. Ein Eisenbahntunnel, zwei Produktionshallen und ein Anbau zur Lagerung des Endprodukts – so einfach gestaltete sich das Raumkonzept damals. Erst kurz bevor die Rote Armee den Bunker eroberte, begann die Erweiterung des Komplexes zur Herstellung des Kampfstoffes „Sarin“. Fertig wurden die geplanten Anlagen nie. Ab 1945 fiel der Bunker an die Rote Armee, bereits 1946 hatte er eine hohe strategische Bedeutung für die GSSD (Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland). Sein heutiges Bild erhielt das Gebäude durch mehrere Umbauten durch Spezialkräfte der NVA im Auftrag der GSSD. Neue Etagendecken zogen ein, neue Räume und die wuchtigen Türme erfuhren eine Weiternutzung. Da der lange Bahntunnel bereits überschüttet wurde, hat der Bunker ganze vier (einhalb) unterirdische Etagen.

Lange Gänge und totale Finsternis – über Stunden

Wir fangen in der Ersten an und tasten uns immer weiter in die Dunkelheit vor. Ein endlos langer Tunnel liegt vor uns, jedenfalls erscheint es uns so, die Anderen hört man längst nicht mehr. Überall stoßen wir auf kleine Räume und Abzweigungen bis wir am Ende Tageslicht durch eine winzige Ritze in einem Tor Licht sehen. „Das muss einmal der Haupteingang gewesen sein“, bemerkt Andreas. „Guck mal, da liegen alte Zeitungen“, bemerke ich. Tatsächlich stoßen wir neben diversen verstaubten Bierflaschen auf russische Blätter. Ob sie irgendwer hier drapiert hat oder sie tatsächlich vergessen wurden, wissen wir nicht. Ein paar Fotos später suchen wir den Weg weiter in die Tiefe. Orangene Pfeile, die irgendjemand an die Wände gesprüht hat, weisen uns den Weg. Solange wir Licht haben. Zwischendurch treffen wir auch noch einmal unseren Guide wieder. „Da unten“, sagt er, „hängt noch eine alte Uniform“. Ich finde das gruselig. „Gottseidank hingen Jacke und Hosen nebeneinander“, sagt er noch und ich weiß genau, was er meint. Wir landen im Treppenhaus und gehen an der zweiten und dritten Etage vorbei. „Guck mal“, bemerkt Andreas, „komisch“. Wir stehen vor einer niedrigen Tür, sie führt in ein Halbgeschoss.

Vergessen oder drapiert? Wir können es nicht mehr nachvollziehen – und genau hier liegt der Reiz

Ich habe längst die Orientierung verloren

Durch Zwischendecken und einen beachtlichen Höhenversatz zwischen dem ersten und zweiten Untergeschoss bahnen wir uns den Weg durch viereinhalb Geschosse statt Vier. Wir verstehen langsam, was verwinkelt wirklich heißt, ich habe längst die Orientierung verloren. „Ich bin gut in Egoshootern“, beruhigt mich Andreas. In der zweiten Etage befinden sich die riesigen Produktionshallen, dieses Mal gehen wir vorbei. Die Zeit reicht einfach nicht. Seit über drei Stunden haben wir kein Tageslicht mehr gesehen. Ich habe keine Ahnung, wo wir uns gerade befinden außer – ganz unten. Vor uns klafft ein Loch im Boden auf und wir landen in einem Raum mit einem Spind. Erneut treffen wir auf das Gespann vom Anfang unserer Tour. „Diffus find ich es besser“, sagt er und malt komplizierte Kreise in die Luft, sie nickt und schleppt derweil ein Stativ. Ein weiteres Pärchen betritt hinter uns den Raum. „Könnt ihr bitte eure Lampen ausmachen?“ fragt der Fotograf und ich bekomme eine Ahnung davon, wie man sich hier unten ohne Licht fühlt. Es herrscht totale Dunkelheit, man sieht schlicht überhaupt nichts, nur Schwärze.

Die Motive liegen oft im Verborgenen – man muss genau hinsehen

Ich bewege mich keinen Millimeter bis wir unsere Lampe aufbauen können. Die Anderen nutzen unser Licht mit, Jack kommt zum Einsatz. Ein weiteres Mal bleiben wir schließlich allein. Andreas Taschenlampe blinkt, die Batterien gelangen an ihre Grenze. „Geil wie die Wand die Kabel auskotzt“, findet einer unserer Mitstreiter bevor er sich auf den Weg an die Oberfläche macht. Stille herrscht hier unten. Totale Stille. Auch wir bekommen langsam Hunger und raffen unsere Sachen zusammen. Andreas Taschenlampe verfällt in ein hektisches Blinken. „Gleich ist Ende“, stellt er fest. Ich verlasse mich auf Andreas, ich weiß nicht mehr, wie wir hergekommen sind. Schwärze und meterdicke Wände lasten auf mir, nicht das erste Mal steigt ein bedrückendes Gefühl in mir auf. Gut, dass wir zu Zweit sind.

Wir befinden uns ganz unten, im letzten Winkel des Bunkers – allein

Ich will irgendwann nur noch nach oben

„Links, rechts, links, geradeaus“, mit sicheren Kommandos lenkt mich Andreas in Richtung Treppenhaus. Oder doch nicht? „Ne warte mal, hier sind wir falsch“, für einen Moment schalten wir die Lampen aus, Batterien sparen. Wir wissen nicht, wo lang. „Hier jedenfalls nicht“, mehrere Male rennen wir am Treppenhaus vorbei. Angst steigt in mir auf und ich registriere, wie schnell man sich hier verirrt. Niemand befindet sich in unserer Nähe, wir irren allein durch die dunklen Korridore. Keiner unserer Mitstreiter würde uns jetzt hören. Per Zufall finden wir die Treppe und mir bricht kurz der Schweiß aus. Diese Tour ist nichts für Menschen mit Platzangst. Wir jedenfalls streben an die Oberfläche, langsam drückt mir die totale Dunkelheit aufs Gemüt. Die 17 Kilogramm auf meinem Rücken machen sich bemerkbar. Auch Andreas stöhnt aufgrund der Belastung. Bockwurst und Kartoffelsalat warten an der Base auf uns, insofern wir sie denn finden.

Links, rechts, links, geradeaus – hier unten braucht man einen guten Orientierungssinn

Zusätzlich zu den 14.000 unterirdischen Quadratmetern kommen übrigens auch noch die Betriebsräume, der Heiztunnel und weitere Medienräume – alles liegt im Dunkeln begraben. Raum reiht sich an Raum, überall herrscht ein Bild des Chaos und des Vergessens. Es geht nach links, rechts, geradeaus – überall finden sich spannende Motive bei genauerem Hinsehen, aber irgendwann kann ich die vollkommene Dunkelheit nicht mehr ertragen. Endlich passieren wir die Punkte, die wir vom Weg nach unten bereits kennen. Ich will nur noch nach oben, einen Kaffee trinken, den Rucksack kurz absetzen und durchatmen. Fotografisch packt mich der Ehrgeiz, jedoch lastet die düstere Atmosphäre hier unten auf mir. Wir schießen noch ein letztes Bild im dem Gang, durch den wir den Bunker vor Stunden betreten haben – und endlich sehen wir Tageslicht. Nicht etwa nach kurzer Zeit, sondern nach satten fünf Stunden in totaler Finsternis – was mich selbst an dieser Stelle überrascht.


Auch an der Oberfläche warten weitere Motive auf uns, aber erst mal gibt es etwas zu Essen. Wie es weiter geht, erfahrt Ihr im zweiten Teil und ich möchte noch einmal betonen, dass der Veranstalter einen verdammt guten Job macht und seine „Schäfchen“ durchaus im Blick hat. Alle Eindrücke aus dem Bunker habe ich für Euch in einer Galerie noch einmal zusammengefasst…..


AbenteuerBunkerFototourGeheimlabor
Share

Unterwegs - die Stieglers auf Reisen  / Verlassen - Storys aus einer vergessenen Welt

SvSAdmin

You might also like

Hier schwimmt niemand mehr…….
6. Mai 2019
Dort unten herrscht Dunkelheit…..(2)
15. April 2019

Comment


Dort unten herrscht Dunkelheit…..(2) – svs-storys
15. April 2019 at 19:29
Reply

[…] fasse ich für Euch alle Bilder der Tour noch einmal in einer Galerie zusammen und hier geht es zum ersten Teil der Geschichte. Ich habe bewusst auf Namen- oder Ortsangaben in diesem Blog verzichtet, leider […]



Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.



  • Archive

    • Juni 2020
    • August 2019
    • Juni 2019
    • Mai 2019
    • April 2019
    • Februar 2019
    • Dezember 2018
    • Oktober 2018
    • September 2018
    • August 2018
    • Juli 2018
  • Meta

    • Anmelden
    • Beitrags-Feed (RSS)
    • Kommentare als RSS
    • WordPress.org

© Copyright LetsBlog Theme Demo - Theme by ThemeGoods