Sie begleiten uns seit unserer Kindheit und sollen uns eigentlich Freude bereiten oder uns zum Lachen bringen. Statt dessen bescheren sie uns gerade im Erwachsenenalter Gänsehaut und Grusel. Mittlerweile setzt auch das Horrorgenre verstärkt auf Puppen und Clowns. Bereits 1986 erkannte Altmeister Stephen King das Schauderpotenzial der eigentlich liebenswerten Figuren. Mit seinem Clown „Pennywise“ aus dem Roman „Es“ setzte der Bestsellerautor etwas in Gang, was heute noch nichts von seinem Schrecken verloren hat – aber warum wirken gerade Puppen und Clowns mitunter so verstörend auf uns? Schon im Jahre 1970 erkannte der japanische Robotiker Masahiro Mori was uns an diesen Figuren stört und nannte das Phänomen „The Uncanny Valley“ – unheimliches Tal.
Gruselig wirken sie alle und für ihren Schrecken gibt es zahllose Beispiele. Auch auf der so genannten „Puppeninsel“ spukt es. Sie liegt in Mexico-Stadt, inmitten von zahllosen Kanälen des Bezirks Xochimilco – die Isla de las Munecas. Heute bewohnen Anastacio Santana und zahllose Puppen die Insel. Sie hängen in den Bäumen, verwittert bewegen sie sich mit dem Wind. Hunderte von ihnen. Sie alle erzählen eine traurige Geschichte. Bis zu seinem Tod im Jahr 2001 lebte der Blumenzüchter und Fischer Julían Santana Barrera auf dem kleinen Eiland. 1951 ertrank in den Wasserstraßen rund um die Insel ein kleines Mädchen, ihr Leichnam wurde an das Ufer der Puppeninsel gespült. Von diesem Zeitpunkt an hörte Barrera den Geist der Kleinen ständig. Sie verlangte nach Spielzeug und schrie. In seiner Panik begann der Fischer weggeworfene alte Puppen zu sammeln und hängte sie in die Bäume. Dennoch fühlte er sich weiterhin von dem Geist verfolgt, er verstümmelte die Puppen und verfiel in einen Wahn. Immer mehr von den Spielzeugen fanden ihren Weg auf die Insel. Über 1000 von ihnen baumeln heute auf der Puppeninsel.

Diese Puppe hat nichts Unheimliches an sich richtig in Szene gesetzt würde sie uns aber genauso Angst machen wie die Puppen auf der Puppeninsel
Um viele Puppen ranken sich gruselige Geschichten
Barrera ertrank im Jahr 2001 an derselben Stelle, an der er das tote Mädchen 50 Jahre zuvor fand. Heute gilt die Insel als Touristenattraktion und immer noch kommen Puppen hinzu. Besucher fühlen sich ständig beobachtet, die Puppen hängen dort wie Kinderleichen. Vielen fehlen Arme und Beine, einige verstecken sich in einem Spinnennetz, Hitze setzt dem Spielzeug zu. Blasen auf der Plastikhaut und schwarz versengte Gesichter sorgen für Horror-Atmosphäre pur. Kinderleichen – hier liegt einer der Gründe, warum uns Puppen solche Angst machen. Je menschlicher eine Puppe erscheint desto mehr fürchten wir uns davor. Kleine Details halten unsere Psyche davon ab, sie als wirklich menschlich zu akzeptieren. Seien es die starren seelenlosen Augen oder das völlige Fehlen von Leben oder überzeichnete Gesichtszüge wie im Fall von Annabelle – der Horrorpuppe schlechthin.

Um viele Puppen ranken sich unheimliche Geschichten
Ihre vergrößerte toten Augen und ihre extremen Gesichtszüge führen zu einem Umschwung der eigentlich lieblich kindlichen Gestalt ins Negative. Eben diesen Effekt nannte Masahiro Mori „Uncanny Valley“. Clowns, Roboter und vor allem Bauchrednerpuppen machen uns deshalb Angst. Manche Wissenschaftler glauben, das hinter diesem Effekt ein angeborener Schutzmechanismus steckt. Seltsam anmutenden Artgenossen gehen wir aus dem Weg – vorsichtshalber. Wir wissen nicht, was als nächstes kommt, können die Gestalt nicht einschätzen. In den Conjuring-Filmen schickt Annabelle ihren Besitzern zum Beispiel Zettelbotschaften oder schreibt „miss me?“ mit Kreide auf den Boden. Wenn leblose Dinge wie Puppen, die ohnehin schon ins Uncanny Valley fallen, Dinge tun – wo wären wir dann noch sicher? Außerdem erinnern uns Puppen an tote Kinder – wem macht das keine Angst?
Selbst Affen reagieren auf das „unheimliche Tal“

Diese Puppe ähnelt Samarra – dem Mädchen aus dem Film „The Ring“. Eine Figur die ebenfalls alle Kriterien des Uncanny Valley erfüllt
Den Uncanny Valley Effekt konnten Wissenschaftler übrigens sogar bei Affen nachweisen. Es gibt ihn also – und die meisten von uns kennen ihn oder haben ihn selbst schon einmal erlebt. Gerade um viele der in die Medien getretenen Puppen ranken sich Geschichten, schlimme Geschichten die uns zusätzlich noch das Fürchten lehren. Auch die echte Annabelle erzählt so eine Geschichte. Ursprünglich gehörte die Puppe einer Schwesternschülerin namens Deidre (Donna) Bernard. Sie erhielt die liebliche Puppe zum 28. Geburtstag. Ungewöhnliche Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Puppe häuften sich in dem Wohnheim, das sie mit einer Kollegin bewohnte. Heute ruht Annabelle im „The Warren´s Occult Museum“ in Monroe in einem Schaukasten. An ihm hängt eine Warnung – do not touch anything! Ebenfalls in einem Museum weilt die Puppe Robert. Ursprünglich gehörte sie einem Autor und Maler aus Key West. Schon im Jahre 1903 soll Robert „Gene“ Eugene Otto die Stoffpuppe geschenkt bekommen haben. Bald darauf verhielten sich sowohl die Puppe als auch ihr Besitzer äußerst seltsam. Sie sprachen miteinander, Möbel flogen durch den Raum, Dinge gingen kaputt. Sobald Eugenes Eltern ihren Sohn bei etwas erwischten, behauptete dieser: „Robert did it!“ Dieser starb 1974, die Puppe wurde auf den Dachboden verbannt. Myrtle Reuter zog mit ihrer Familie später in das Haus der Ottos und die Puppe setzte ihre Schikanen fort. Bis heute gilt die Stoffpuppe als verflucht. Angestellte des Museums behaupten, Robert zwinkere gelegentlich oder bewege sich. Er gilt übrigens als Vorlage für Chucky, die legendäre Mörderpuppe. Was es genau mit diesen Puppen auf sich hat, lässt sich nicht klären. Wissenschaftlich erklären lässt sich jedoch der Effekt des unheimlichen Tals und der gilt nicht nur für Puppen. Auf der Computermesse CeBIT führten die Aussteller einmal selbstständige Elektrogeräte vor, deren Stromvorrat zur Neige ging.
Zu menschlich wirkende Roboter wirken suspekt und angsteinflößend
Panisch suchten die Geräte nach einer Steckdose, um sich aufzuladen. So lange sie betont nicht menschlich wirkten, lachten die Zuschauer über ihre Drolligkeit auf der verzweifelten Suche nach Strom. Vor allem wenn man ihnen Hindernisse in den Weg legte. Andererseits fanden die CeBIT-Besucher menschenähnliche Roboter überhaupt nicht zum Lachen, selbst wenn sie dasselbe Verhalten an den Tag legten. Besonders Kinder brachen in Tränen aus, sobald die humanoiden Roboter Kontakt mit ihnen aufnehmen wollten. Bei Puppen funktioniert der Uncanny Valley Effekt gleich doppelt. Sie repräsentieren eigentlich etwas unschuldiges und kindliches, liebenswertes. Ein paar kleine Details verkehren diese Wirkung jedoch schnell ins Gegenteil.
Was Altmeister Stephen King also bereits 1986 gezielt einsetzte, funktioniert auch heute noch einwandfrei. Ich jedenfalls würde die Puppeninsel bei Nacht nicht betreten – und ihr?
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