Spukgeschichten – in Edinburgh gehören sie genauso dazu wie hohe Häuser, enge Gassen und Pubs. Viele davon ranken sich um Greyfriars Kirkyard, dem ich wie versprochen einen Extrabeitrag widme. Wer Lust hat auf ein bisschen Grusel sollte dem berühmt-berüchtigten Friedhof einen Besuch abstatten. Am Tag. Die nächtlichen Touren sind Touristen mit starken Nerven vorenthalten und nicht umsonst warnen die Guides vor realen Schmerzen, die Touristen im Covenanters Prison erleiden. Schwangere und Jugendliche unter 16 Jahren dürfen gar nicht erst mit. Für mich haben zu viele Menschen zu viele Geschichten erfunden, die sich rund um den altehrwürdigen Greyfriars Kirkyard ranken. Alles Zufall? Ich bin mir da nicht so sicher…
Fern liegt die Welt der Geister in Edinburgh nirgendwo. Man findet sie unter den Straßen, in den Gassen, auf verträumten Friedhöfen und eigentlich überall. Vielen Orten dieser Stadt sagt man nach, dass es dort spukt. Keiner davon kann so viele Geschichten erzählen wie Greyfriars Kirkyard. Bereits in unserem Geisterbus kommen wir auf diesen alten Friedhof und seine Geistergeschichten zu sprechen. Ob alle davon tatsächlich die Wahrheit erzählen, wissen wir nicht. Gänzlich frei erfunden scheinen sie mir aber nicht. Wir jedenfalls statten diesem Ort des Schreckens lieber bei Tageslicht einen Besuch ab. Zunächst landen wir an einem verschlossenen Nebeneingang, finden aber schnell das richtige Tor. Touristen belagern den Friedhof, der sich mitten hinein in die Altstadt quetscht. Ohnehin weist Edinburghs Altstadt weltweit die größte Dichte an Spukgeschichten und historisch belegten grauenhaften Verbrechen auf – Greyfriars Kirkyard liegt mittendrin.

Häuser grenzen direkt an die Mausoleen und Gräber des Greyfriars Kirkyard.
Seine Geschichte beginnt 1561, als der Friedhof der St. Giles´ Cathedral sprichwörtlich überläuft. Um ihn zu entlasten, entsteht in den Jahren 1561/62 Greyfriars Kirkyard. Der Stadtrat hält dazu am 23. April 1561 in einem Dokument fest:
Weil es für richtig gehalten wird, dass keine Bestattungen in der Kirche mehr stattfinden sollen, und weil der Kirchhof dort nicht genug Platz zu bieten scheint, um die Toten zu bestatten, mit Rücksicht auf den Geruch und die Unbill in der Sommerhitze, sei eine Bestattungsstätte weiter weg von der Stadtmitte vorgesehen, so wie in Greyfriars Yard, und dieser sollte errichtet und sicher gemacht werden.

Dicht an dicht und bis zur Unkenntlichkeit verwittert drängen sich die Gräber. Über allem liegt ein beängstigender Touch
Wir betreten Greyfriars Kirkyard durch ein großes Tor und trotz des regen Menschenandrangs, trotz der Führungen durch die verspukten Gräber herrscht innerhalb der Mauern Greyfriars eine seltsame Atmosphäre. Geschichten über zornige Seelen, die hier den Touristen das Leben zur Hölle machen, gibt es schließlich genug. Dazu aber später mehr. Als allererstes fällt uns das Grab eines kleinen Hundes ins Auge. Greyfriars Bobby. Ein kleiner Sky Terrier, den wohl jeder in Edinburgh kennt. Vor seinem Grab liegen Stöckchen und Kuscheltiere und die Inschrift auf dem Grabstein hält den Kern seiner Geschichte fest:
Greyfriars Bobby, gestorben am 14. Januar 1872 im Alter von 16 Jahren. Lasst seine Treue und Hingabe uns allen eine Lehre sein.
Greyfriars Bobby – eine kleine Seele mit großer Geschichte
Der überlieferten Geschichte nach gehörte der kleine Sky Terrier dem Polizisten John Grey. Nach dessen Tod im Jahr 1858 verbrachte Bobby die übrigen 14 Jahre seines Lebens am Grab seines Herrchens. Lediglich um etwas zu fressen verließ er seinen Platz und suchte das nahegelegene Coffee House auf, pünktlich zum Knall der Ein-Uhr-Kanone auf dem Castle. Nach dem Tod des treuen Tieres begrub man den kleinen Hund heimlich auf dem Friedhof, Tiere durften dort normal nicht bestattet werden. Daher ruht er auch auf einem ungeweihten Teil des Friedhofs. Kritiker bezweifeln heute den Wahrheitsgehalt der Geschichte. Historiker Jan Bodeson von der Universität Cardiff vertritt die These einer Falschmeldung, um den Tourismus anzukurbeln. Bei dem beobachteten Hund habe es sich um zwei verschiedene Tiere gehandelt, von denen keiner jemals John Gray gehört habe. Fakt bleibt jedenfalls das Greyfriars Bobby sowohl die Filmindustrie als auch Komponisten inspiriert hat. Wieviel Wahrheit auch immer in dieser Episode steckt, sie geht mir ans Herz und das Grab auf dem Friedhof spricht seine eigene Sprache.

Ein Grab auf ungeweihtem Boden, der kleine Sky Terrier durfte hier seine letzte Ruhe finden
Auf dem Grabstein des Hundes ruht eine kleine Hundestatue, die uns später noch Rätsel aufgeben wird. Wir wandern erst einmal weiter und schauen uns mit einer Gänsehaut am ganzen Körper um. Greyfriars Kirkyard wirkt auf den ersten Blick nicht wie ein normaler Friedhof. Totenköpfe, Skelette, Knochen und mit Moos überzogene Horror-Schädel zieren die schwarzen verwitterten Grabsteine, die sich an die Mauer von Greyfriars Kirkyard lehnen. Baumkronen bedecken die Grabplatten, deren Inschrift an vielen Stellen bis zur Unkenntlichkeit verwittert. Ich erinnere mich an die Episode aus „Ghost Adventures“. Auch diese Geisterjäger durften Bekanntschaft mit Greyfriars schließen und staunten über die vielen Totenköpfe und grausamen Verzierungen an den teils prunkvollen Grabmälern. Hohe Häuser umgeben diese Stadt der Toten, die auf der einen Seite dank ihrer Gartenanlagen und Bäume wirkt wie eine vergessene Oase des Friedens. Auf der anderen Seite springen einem lauter kleine grausame Details ins Auge. Entsetzliche Symbole des Todes und der Verdammnis.

Prunkvoll, detailliert aber immer grausam – die Gräber auf dem Kirkyard enthalten entsetzliche Details
Totenköpfe, Skelette und grausame Symbole des Todes – wohin man auch geht

Totenköpfe im Covernanters Prison
Wir wandern weiter, in den hinteren Teil des Friedhofs. Größere und prunkvollere Gräber dominieren hier. Ganze Säulen liegen teils umgestürzt im matschigen Gras, steinerne Urnen und Kreuze haben unter ihrem eigenen Gewicht schon vor Jahren nachgegeben. Auch hier zieren Totenköpfe und sogar Kinderfiguren die teils monströsen Gräber. Ich verstehe immer besser, warum Spukgeschichten gerade hier zur Tagesordnung gehören. Bei meiner Recherche im Internet nach unserem Besuch stoße ich auf einen Beitrag von Sheena Severn, der mysteriöse schwarze Schatten auf seinen Fotografien bemerkt. Wir suchen derweil das Covernantes Prison und ich fühle mich seltsam. Nackte Äste ragen über die pompösen Grabmahle, alles wirkt düster, einsam und bedrohlich obwohl wir mitten in der Stadt und natürlich nicht allein hier sind. Dennoch, etwas scheint mir seltsam an diesem Friedhof. Schließlich finden wir das Covenantes Prison und stehen vor einem verschlossenen Tor, an dem Blumen hängen.

Für die Öffentlichkeit gesperrt – das Covenanters Prison
Ich fühle mich immer unwohler und bin froh, hier nicht weitergehen zu dürfen. Mit dem Covenantes Prison entdecken wir die wohl blutigste und erschreckendste Geschichte des Greyfriars Kirkyard. Covenantes hielten für ihre Kirche am Presbyterianismus fest und stellten sich damit gegen den damaligen König. Im Jahre 1638 unterschrieben die militanten Covenanters den National Covenant ausgerechnet in der Greyfriars Kirk – also hier, wo sie später den Tod für ihre demokratischen Ideen finden sollten. Im Jahre 1679 verloren die Covenanters die Schlacht bei der Brücke von Bothwell. Rund 1.200 von ihnen gerieten in Gefangenschaft – und fanden hinter dem Tor, vor dem wir jetzt stehen, ein qualvolles Ende. Nach einem monatelangem Martyrium mit 113 Gramm Brot am Tag. Steinmauern und Eisengitter sehen wir hinter dem massiven Tor und aus irgendeinem Grund, reicht es mir völlig, sie aus der Ferne zu betrachten. Besonders unerschrockene Besucher können das Covenanters Prison im Rahmen einer Ghost Tour nachts näher beleuchten, ehrlich gesagt hätte ich dazu keine Nerven. Mit dem Wissen um den Hintergrund dieser soliden Gefängnismauern erst recht nicht. Mir und seltsamerweise auch Andreas reicht die Atmosphäre an dieser Stelle völlig. Wir kehren um und streben wieder auf den Ausgang zu.

Auf den ersten Blick sehen die Gräber hier aus wie auf dem Rest des Friedhofs. Nach 140 Zusammenbrüchen und über 400 dokumentierten paranormalen Attacken sperrte die Stadt diesen Bereich für die Öffentlichkeit
Greyfriars Kirkyard – ein Ort mit zwei Gesichtern
„Das hat schon was Finsteres“, sagt Andreas während wir an vergessenen geschlossenen Grabmälern vorbei wandern. Im Süden dominieren geschlossene Mausoleen und eines scheint düsterer als das andere. Eines davon wirkt besonders bedrückend. Ohne zu wissen, was wir da vor uns haben halten wir kurz an um uns dieses Mausoleum genauer zu betrachten. Es gehört Sir George (bloody) Mackenzie. Er verantwortete im 17. Jahrhundert die Verfolgung und Hinrichtung vieler Covenanters. Unmenschliche Praktiken brachten ihm schnell den Beinamen „bloody Mackenzie“ ein. Im Jahr 1999 suchte ein Obdachloser auf Greyfriars Kirkyard nach einer Unterkunft für die Nacht. Ausgerechnet Henry Mackenzies Steinsarkophag sollte ihm als Ruhestätte dienen. Er brach ihn kurzerhand auf um kurz darauf den Friedhof fluchtartig wieder zu verlassen.

In memoriam – viele der Inschriften lassen sich nicht mehr entziffern
Dieser Überfall gilt als Stein des Anstoßes. Seitdem ranken sich viele Gespenstergeschichten um den Mackenzie Poltergeist. Sogar Tote soll es gegeben haben. Über 450 dokumentierte Angriffe, Schürfwunden und Blutergüsse existieren im Zusammenhang mit diesem streitlustigen Geist, der laut Überlieferungen die Wut aller Hingerichteten und Gefangenen im Covernanters Prison in sich vereint. 140 Touristen brachen unter seinen Attacken zusammen. Schließlich entschied die Stadt, den Bereich um das Covenanters Prison für die Öffentlichkeit endgültig zu sperren. Ich frage mich, wieviel Wahrheit in dieser Geschichte steckt und denke mir, dass gerade Edinburgh nicht umsonst einen Teil des Friedhofs für immer verriegelt, im wahrsten Sinne des Wortes.
Nächtliche Touren – nichts für schwache Nerven
Uns steht der Sinn nach Leben nach diesem doch erdrückenden Trip in das Reich der Toten. Ebenfalls erzählt man sich, ein Geistlicher hätte im Jahr 2000 auf Greyfriars Kirkyard böse Mächte festgestellt, die ihm nach dem Leben trachteten. Er versuchte Greyfriars Kirkyard zu reinigen – und starb wenig später an einem Herzinfarkt. Einige der düsteren Mausoleen grenzen direkt an die umgebenden Häuser. Ich horche kurz in mich hinein und stelle fest, dass ich dort nicht leben könnte. Unsere Tour endet an der lebensgroßen Statue von Greyfriars Bobby gegenüber vom gleichnamigen Pub. Etwas Fröhliches und Glück bringendes erscheint uns nach diesem Ausflug gerade richtig. Die Legende besagt nämlich auch, Bobbys Nase zu reiben, bringe Glück. Trotzdem lassen wir das mit dem Nase reiben. Greyfriars Kirkyard trägt für mich zwei Gesichter. Ein unvergleichlich Grausames und ein Inspirierendes. So muss es wohl auch J.K. Rowling gesehen haben. Gräber von McGonnagall (Dichter) und Thomas Riddle lassen sich hier finden.
Was Wahrheit ist und was erfunden, müsst Ihr selbst entscheiden
Was Wahrheit ist und was erfunden, müsst Ihr selbst entscheiden. Fakt bleibt die blutige Geschichte der Covenanters und die reale Existenz George Mackenzies. Ebenso real ist das grausame Martyrium der Gefangenen im Covenanters Prison. 100 von ihnen verschiffte man im Nachhinein, um sie als Sklaven zu verkaufen. Selbst den Verantwortlichen erschienen die Umstände der Gefangenschaft menschenunwürdig und zu grauenvoll. Das Schiff sank, alle Passagiere kamen ums Leben. Auch den Geistlichen hat es gegeben. Fakt für mich: Niemals in meinem Leben werde ich diesen Ort nachts betreten, auch nicht mit einer Gruppe gruselwütiger Touristen. Und was hat es mit dem Hund auf sich? Die kleine Hundestatue auf dem Bobbys Grab taucht auf Fotos im Netz hinterher nicht mehr auf. Nur knapp zwei Wochen nach unserem Besuch postete eine Freundin auf Facebook ein musikalisches Salut an den kleinen Sky Terrier – keine Hundestatue auf dem Grabstein. Auf keinem Bild im Netz lässt sich diese Figur erkennen. Fakt ist übrigens auch – ich habe in der Nacht, nachdem ich diesen Beitrag verfasst habe, nicht besonders gut geschlafen.
Ihr habt den ersten Teil verpasst? Kein Problem! Wie immer an dieser Stelle fasse ich hier noch einmal alle bisher veröffentlichten Beiträge zusammen und nun bleibt mir nur noch ein fröhliches Gruseln zu wünschen – beim Durchstöbern der Galerie.
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