
Es geht weiter nach Jasper
Aloha! Zugegeben, die letzte Etappe unserer Reise endete im Krankenhaus, unserer guten Stimmung jedoch tat das bis zum nächsten Morgen keinen Abbruch. Wir durften weiterfahren, kein Knochen gebrochen und der nächste Streckenabschnitt versprach imposante Ausblicke. Es ging höher in die Berge. Gut ging es mir seit dem Unfall leider nicht wirklich, aber wie sagt man so schön? Das wird schon werden. So dachten wir auch. Am nächsten Tag sollte ich die Folgen des nassen Ritts auf dem „Kicking Horse River“ leider doch deutlich spüren und zum ersten Mal seit unserem Aufbruch in Vancouver schafften wir nicht das Programm, was wir uns vorgenommen hatten. Dennoch, einmal mehr gab es viel zu erleben und auch diesen Tag möchte ich nicht mehr missen. Regen hin oder her, Regenfotos haben eben ihren ganz eigenen Charme. Weiter geht es, nach Jasper.
Der „Rafter-Kater“

Abschied aus Banff
Am nächsten Morgen merke ich, wie hart der „Kicking Horse River“ zugetreten hat. Das Veilchen hat eine tiefdunkle blau-violette Farbe angenommen und schwillt noch nicht ab. Heute verlassen wir Banff und fahren weiter nach Jasper, höher in die Berge. Um kurz nach elf kommen wir vom Platz und am „Ortsschild“ von Banff herrscht bereits dichter Foto-Andrang. Mir dreht sich alles und die Übelkeit hat mich die ganze Nacht beschäftigt. Wir lächeln und finden jemanden, der uns an den überdimensionierten Buchstaben ablichtet. Trotz der Probleme ändern wir unseren Plan vorerst nicht und fahren wie geplant in Richtung Lake Louise. Es regnet die ganze Zeit und auf dem Overflow-Parkplatz merke ich den Tritt von gestern endgültig. Aber von Jasper aus müssten wir über 300 Kilometer zum Lake Louise zurückfahren. Das geht nicht und verpassen möchten wir ihn auch nicht. Außerdem passt es mir nicht, der Stolperstein der Reise sein und wir steigen in einen alten Schulbus und lassen uns zum See fahren.

Lake Louise – tief, kalt und wunderschön. Ich füge „geheimnisvoll“ hinzu
Von den Raftern gestern wissen wir, das eine Grizzlybärin mit ihren Jungen jeden Abend an den See kommt. Auch unser Busfahrer erzählt von der pelzigen Dame. Uns steht nach der Ankunft zunächst einmal der Sinn nach Regenschirmen. Von den Gletschern, die sich um den See herum auftürmen, sehen wir heute nicht viel. Lake Louise hüllt sich in einen dichten Mantel aus dunklen Wolken und nassem Dunst. Dank seiner Farbe und seiner Schönheit besitzt der Gletschersee einen Berühmtheitsgrad, an den nur Moraine Lake anknüpfen kann. Das Schmelzwasser der Gletscher spült Steinmehl in den See und färbt sein Wasser türkis. Tief, kalt und wunderschön – so beschreiben Infotafeln den tatsächlich königlichen See. Seinen Namen verdankt er nämlich der Prinzessin Louise Caroline Alberta, Tochter von Königin Victoria, 1837 bis 1901 Königin von Großbritannien und Irland. Sechs Gletscher speisen den Lake Louise, der von November bis Juni oft unter einer mehr als meterdicken Eisschicht liegt. Die Wassertemperatur liegt konstant unter 10 Grad – auch im Sommer. Gerade einmal ein einziges Boot wagt sich heute auf den 70 Meter tiefen See, der sich zwischen die eiskalten Riesen kuschelt.
Wir verpassen eines der meistfotografierten Motive ganz Kanadas

Am nächsten Tag merke ich, wie hart der Kicking Horse River zugetreten hat
Um den See herum erheben sich der Mount Temple mit 3543 Meter, der Mount Whyte mit 2983 Metern, der Mount Niblock mit 2976 Meter sowie der Mount Whitehorn mit Skigebiet. All das versteckt sich unter der tief hängenden Wolkendecke und auch die Bärin lässt sich nicht blicken. Andreas möchte unbedingt noch ein Bild vor dem Moraine Lake schießen, welcher gleich nebenan liegt. Dummerweise kommt man auch dorthin bei Überfüllung nur mit dem Shuttle-Bus. Der wiederum kostet über 20 Dollar und mir wird bereits auf der 15 Minuten Busfahrt zum Lake Louises übel. „Das ist DAS Bild“, klagt mein Mann und er hat ja Recht. Der Ausblick auf den See vom so genannten Rockpile gilt als eines der schönsten und häufigsten fotografierten Motive ganz Kanadas. Sogar auf der 20-Dollar-Banknote von 1969 findet sich dieses berühmte Bild. Wir bringen uns damit um eine echte Attraktion und eines der „Must haves“ für einen Kanada-Trip, zumal wir direkt vor der Tür stehen. Der Moraine Lake entstand anders als die meisten Gletscherseen nicht durch das Aufstauen einer Endmoräne, sondern durch die Barriere eines gewaltigen Felssturzes.

Unterwegs nach Jasper, unser letzter Stopp auf knapp dreihundert Kilometern

Regenfotos besitzen ihren ganz eigenen Charme
Er liegt im Valley of Ten Peak und auch er besticht durch sein intensiv smaragdgrünes Wasser. Wie steinerne Riesen reihen sich die Gipfel der Berge an der Flanke des Moraine Lake auf. Der Kicking Horse River und ich bringen Andreas um sein geliebtes Bild, hinter dem er bereits seit der Flugbuchung letztes Jahre her war – genau wie jeder andere Kanada-Liebhaber auch. Es tut mir ehrlich leid, aber es geht einfach nicht. Unser Busfahrer auf der Rücktour berichtet ebenfalls von diversen Bären-Sichtungen. Er erzählt auch von einem Mann, der mit dem Fotoapparat hinter dem Bären hergerannt sei, offenbar hing er nicht an seinem Leben. Es geht mir nicht gut. Also geht es, zurück auf dem Parkplatz, weiter Richtung Jasper. Je höher wir in die Berge kommen, desto dramatischer gestaltet sich die Landschaft. Gletscher rücken immer näher und wir wiederum nähern uns der Schneegrenze. Es regnet immer noch. An einem weiteren Gletschersee halten wir an. „Ist mir egal ob es regnet“, sage ich, das Bild muss ich einfach im Kasten haben. Auf dem Parkplatz hockt ein Rabe und denkt offenbar das gleiche über das Wetter wie wir. Der Ärmste sieht nicht aus wie ein Vogel, sondern eher wie der sprichwörtliche begossene Pudel. Er kauert dort, ohne sich zu bewegen und hat offensichtlich so gar keine Lust auf den Regen. Andreas bekommt ihn vor die Linse und wir schießen noch ein Regen-Tanz-Foto trotz der Schmerzen.
Auf dem nächsten Parkplatz haben wir tierisches Publikum

Ebenfalls nicht begeistert von der Wetterlage – unsere tierischen Begleiter
Eigentlich lädt jede Kurve zum Anhalten ein, vor allem je näher wir den Columbia Ice Fields kommen. Diese wollten wir heute ebenfalls mit abklappern, aber daraus wird vorerst nichts. Also weiter aber bald darauf stoppen wir erneut, immerhin erwischen wir eine seltene trockene Phase. Auf der Leitplanke hockt abermals ein Rabe, der seinen Unmut laut und auf andere Weise kundtut. Neben uns unterhält sich ein deutsches Ehepaar über „Goats“ und wir schauen zum Felsmassiv gegenüber. Tatsächlich stehen dort drei Steinböcke und beobachten das rege Treiben auf dem Parkplatz. Sie sehen etwas gerupft aus, scheinen aber sehr interessiert an den Tieren mit zwei Beinen. Bis zum Wapiti Campground in Jasper bleiben uns noch 150 Kilometer, die wir jetzt an einem Stück zurücklegen. Ich kann einfach nicht mehr. Außerdem hätten sich die Deutschen garantiert anders mit uns unterhalten, hätte ich meine Sonnenbrille aufgelassen. Wir registrieren die entsetzten Blicke sehr wohl. Andreas mustert mich und sagt: „Wir halten auch auf keinem Parkplatz mehr an, es reicht!“ Er hat recht.

Dancing in the Rain – trotz des Wetters genießen wir die grandiose Gletscherlandschaft
In Jasper angekommen sehen wir als erstes die Bären-Warnschilder überall. So viele Leute haben uns schon erzählt, sie hätten Bären gesehen. Beim Einchecken bittet die nette Dame am Service ebenfalls um Achtsamkeit, für den Platz gilt die höchste Bärenwarnstufe. Erst gestern sei eine Grizzly-Mutter mit ihren Jungtieren über den Platz marschiert. Wir fahren erst einmal einkaufen. Dummerweise übersieht man den Supermarkt leicht und wir drehen zwei Runden um den Block, um ihn zu finden. Dort gibt es aber alles, jedoch schauen die Leute entsetzt als sie mein Auge sehen. Einem jungen Mann fällt sogar die Farbe aus dem Gesicht und als Andreas ihn anschaut, sieht er schnell weg. Wir lachen herzlich darüber, machen uns aber schon mal Gedanken, was passiert, falls uns jemand anspricht. Für morgen nehmen wir uns die Wasserfälle auf der Strecke und die Columbia Icefields vor, in der Hoffnung das alles so klappt. Nur den berühmten Moraine Lake haben wir auf diesem Trip endgültig verpasst.

Ein entschieden sehr nasser Tag geht zu Ende
Aufgrund der gesundheitlichen Probleme auf dieser Etappe und des Regenwetters gibt es leider weit weniger Fotos von den beiden Seen, als wir uns gewünscht hätten. Vor allem Andreas tut es sehr leid um den verpassten Moraine Lake. So haben wir einen Grund, wiederzukommen, sage ich mir. Im nächsten Blog bleiben wir noch ein bisschen in Jasper und erkunden die Columbia Icefields sowie den Skyway – für mich eine echte Herausforderung. Hier erst einmal die Impressionen des Tages und wie ich bereits sagte, auch Regenfotos versprühen ihren ganz eigenen Charme. Ich mag die an diesem regennassen Tag entstandenen Bilder. Auch der Highway 16 startet gleich hinter Jasper, aber zu dieser tragischen Geschichte mehr in den nächsten Blogs.
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