Hello again! Erinnert Ihr Euch? Im letzten Beitrag mussten wir den Yellowstone Nationalpark verlassen und nun geht es weiter über eine ziemlich lange Etappe bis Banff, Kanada. Tatsächlich haben wir den Staat Montana einmal komplett durchquert und nach diesem Beitrag liegen elf Stunden Fahrt an zwei Tagen und weitere 700 Meilen hinter uns. Viele tierische Freunde haben uns begleitet und nette Menschen haben unseren Weg gekreuzt. Und nun heißt es „Yiiiiiieeeehaa“ – auf in den Sattel. Vielleicht möchten wir doch noch echte Cowboys werden! Montana jedenfalls kommt definitiv auf die Liste der „Da-muss-ich-wieder-hin-Ziele“. Fürs Erste sagen wir Goodbye USA und Hello Kanada. Den einen freut es, die andere bleibt skeptisch.

Das Wasser in Kanada besitzt eine eigentümlich türkise Farbe. Warum bekommen wir später an den Columbia Icefields noch erklärt
700 Meilen und der Staat Montana lagen vor uns. Es ging nach Banff, Kanada und wir verließen die Vereinigten Staaten. Eine Menge tierische Begleiter haben uns die lange Fahrt versüßt und unsere Angst wegen des „Mundwassers“ an der Grenzkontrolle erwies sich als unbegründet. Einmal mehr kamen wir durch „Ennis“. In dem beschaulichen Ort hätte Michael Bully Herbig seinen Schuh des Manitu ohne große Umbauten drehen können und ein Foto an der Whiskey Destillerie haben wir uns nicht nehmen lassen. Gleich eine ganze Horde Adler bewachte ihre Beute am Straßenrand. Was es war, konnten wir zum Glück nicht mehr erkennen. Farmland bestimmt hier das Landschaftsbild. Wir kamen durch eine ganze Reihe von Orten mit lustigen Namen. Von „Laughing Horse“ bis „Whitefish“ über „Verhungertes Pferd“ galt hier das Motto je kreativer, desto besser. Letzteres fanden wir sogar als treffende Karikatur auf dem Ortseingangsschild. Benzin gab es in diesen lustigen Städtchen leider kaum noch, was wir weniger lustig fanden. Tatsächlich haben wir exakt eine Tankstelle gefunden, an der kein handgeschriebener Zettel an den Zapfsäulen hing. Diesel oder Normalbenzin hätten wir hier nirgendwo mehr bekommen. Auch lustige Namen können nicht darüber hinwegtäuschen, das hier die Wirtschaft nicht eben boomt.
Auch lustige Namen können nicht darüber hinwegtäuschen, das es hier nicht boomt

Whiskey in der Westernstadt Ennis – hier muss ein Foto her

Manchmal muss man die Seele auch einmal baumeln lassen. Auf dem schönsten Campingplatz des Landes gibts das erste Lagerfeuer des Urlaubs
Nach einem Zwischenstopp mit Übernachtung im Glacier Nationalpark auf dem schönsten Campingplatz des Landes haben wir den Staat Montana einmal komplett durchquert. Viele nette Menschen haben mit uns gesprochen, zwei Reisende ebenfalls mit einem RV zum Beispiel. Sogar für das verlorene Spiel Deutschland-Mexico während der WM haben sie sich entschuldigt. Nicht nur der Platz übertraf alle bisherigen Schlafplätze, sondern das Frühstück im „Lazy Bear“ auch alle Erwartungen. Schon das Ambiente der kleinen Hütte spricht uns an. Überall hängen, liegen und sitzen geschnitzte Bärenfiguren – und dieser Kamin. Eine Wucht. Unsere Bedienung, Amber, hat sich alle Mühe gegeben Andreas zu seinem Latte Macchiato zu verhelfen, der in den USA so ausgesprochen wird wie „Laiteeeeeeeeeei“ oder so ähnlich. Schließlich haben wir es mit vereinten Kräften geschafft und Amber quittierte das Erlebnis mit einem Smiley und persönlichem Gruß auf dem Bon. Lediglich der Hund unserer Nachbarn zeigte sich mit dem Platz offenbar überhaupt nicht einverstanden. Sein herzzerreißendes Jaulen dauerte über den gesamten Aufenthalt an. Am Dienstagmorgen ging es schließlich weiter Richtung Kanada und ich habe den Blog tatsächlich einmal einen Tag vernachlässigt. Daher schreibe ich diese Passage bis hierher auch in der Vergangenheitsform, manchmal muss man einfach die Seele auch mal baumeln lassen.
Das letzte amerikanische Drittel dieser Etappe führt uns durch die Berge von Montana und ich verliebe mich noch einmal in die wunderschöne Landschaft. Eine etwas zu groß geratene Wespe hat sich zu uns gesellt. Äußerst sportlich hat sie auch bei 100 km/h auf der Windschutzscheibe wacker stand gehalten. Angekommen an der Grenze gestaltet sich das Prozedere recht einfach, wir hätten eine ganze Brauerei mitschleppen können und niemand hätte es gemerkt. Einreisen nach Kanada wollte unsere schwarz-gelbe Freundin dann doch nicht, beim Warten in der Schlange fliegt sie auf und davon. Auf den ersten Kilometern hinter dem Grenzübergang ändert sich das Landschaftsbild erst einmal nicht. Erst ab dem Parkeingang des Banff Nationalparks gehen die Straßen in ein hochalpines Flair über.
In Banff können wir die Gift-Shops nicht links liegen lassen
Der Banff Nationalpark erstreckt sich über 6.500 Quadratkilometer und mir fällt wiederholt das türkisfarbene Wasser auf, welches für Kanada typisch scheint. Wir durchfahren auch hier weite Teile abgebrannten Tannenwald, ein grotesker Anblick inmitten der grünen Hölle um uns herum. Zunächst scheint mein hungriger Fotoapparat Pech zu haben, es ergeben sich nicht viele Gelegenheiten für gute Bilder, anders als im Yellowstone. Erst an einem Viewpoint weit im Park scheint sich ein Fotostopp zu lohnen. Ausblicke hatten wir genug, aber eben keine Parkplätze an der richtigen Stelle. An diesem können wir ein weites Tal überblicken, im Hintergrund die schneebedeckten Rocky Mountains. Leider mobbt uns eine dieser zu groß geratenen Wespen und wir geben das Selfie-Vorhaben schließlich auf. Immerhin begegnet uns ein niedliches Squirrel, was für ein Foto sogar kurz stillhält.

Auch schön, aber ganz anders als die USA präsentiert sich der Banff Nationalpark

Taste the beer nimmt man hier wörtlich
Etwas weiter finden wir aber eine Stelle und als Andi ein Rascheln im Gebüsch hört, kramt er vorsichtshalber das Bärenspray aus dem Camper. Uns stört aber kein Bär und wir können in aller Ruhe Fotos machen, direkt vor einem Fluss der wie alle anderen sehr Türkis wirkt. Trotzdem bleibt das mulmige Gefühl, vor allem auf dem Campingplatz, der direkt am Wald liegt. Erst einmal machen wir uns aber mit dem Bus auf den Weg in den Ort, um etwas zu essen. Natürlich können wir die Gift Shops nicht links liegen lassen, auf unseren Tisch müssen wir ohnehin noch eine halbe Stunde warten. In einem der Shops treffen wir auf einen Azubi aus Deutschland, der Peine sogar kennt. Wir essen einen wahnsinnig leckeren Burger und ich sage beim Bestellen ausversehen „I taste the Beer.“ Die Bedienung bringt mir tatsächlich ein winziges Glas zum Probieren und wartet ab, bevor ich ein ganzes Glas serviert bekomme. Damit habe ich nun nicht gerechnet und ich gucke beim Anblick des Mini-Bierglases recht dumm aus der Wäsche. Morgen geht es auf einen Trail-Ritt und das finde ich viel unheimlicher als den Campingplatz direkt am Wald, der übrigens mehr praktisch als schön gestaltet ist.
Mittwoch, 20 Juni – der Reiter mit dem Handywahn

Willie und Taylor haben einen guten Job gemacht
Während ich hier sitze und das schreibe, tun mir wirklich alle Knochen weh. Vor allem das Hinterteil. Schuld daran trägt der dreieinhalbstündige Trail-Ritt, vor dem ich solche Angst hatte. Dementsprechend startete auch unser Morgen, ich wollte mich gar nicht zurechtmachen, ich hatte wirklich Panik. Dabei versicherte mir bereits Andreas Verwandtschaft in Vancouver, dass die Trail-Horses zu den friedlichen Geschöpfen gehören. Meine Angst vor Pferden rührt von einem menschlichen Missgeschick her. Mein Reitbeteiligungspferd vor vielen Jahren brach sich das Kadenbein und stand über ein Jahr im Stall. Danach war die Arbeit mit ihm schlicht gefährlich. Seit der Zeit habe ich Pferde nie wieder angefasst. Heute also sollte ich meine Angst überwinden. Vorher leeren wir unseren Abwassertank an der Dumping Station und treffen auf Miturlauber, die wirklich das Pech verfolgt. Der ganze Wohnwagen steht unter Wasser, es läuft aus allen Ritzen, die Koffer triefen. Ein Helfer spricht uns an: „Their English is very limited, so we can do nothing!“ Die arme Familie tut mir wirklich leid. Ein paar Wapitis verirren sich auf den Parkplatz und grasen friedlich in dem kleinen Waldstück. Fasziniert schießen wir schnell ein Foto und dann geht’s ab, zum Reiten.
Der Trail startet in Banff und draußen herrschen Temperaturen um die 30 Grad. Leider können wir nichts mitnehmen, Andreas verstaut sein Handy wenigstens in der Gesäßtasche um ein paar Erinnerungsfotos zu haben. Meine Panik wächst und als wir uns anmelden, trocknet mein Mund vollkommen aus. Das wir unterschreiben müssen, eventuell getötet zu werden, hilft mir irgendwie überhaupt nicht weiter. In meiner Aufregung unterschreibe ich glatt mit Steinseifer. Shit happens.
Daddy bedient sein Smartphone, aber nicht sein Pferd
Die Pferde stehen friedlich dösend in ihrem Paddock, fertig gesattelt. Wir suchen uns die passenden Helme heraus und für mich gibt es kein Zurück mehr. Ich bin kurz davor zu kneifen. Mit uns startet noch eine weitere Gruppe. Sie haben nur eine Stunde vor sich, wir drei. Wir unterhalten uns ein wenig mit den Mitreitern, zwei Kinder haben wir dabei. Schließlich dürfen wir den Paddock betreten und stellen uns jeweils an einem Zaunpfahl auf. Unsere Pferde bekommen wir gebracht, mich vergessen sie aber irgendwie. Andreas bekommt die Zügel von Willie in die Hand gedrückt, ein hochgewachsener Fuchs. Bei mir muss man offenbar eine Weile überlegen, schließlich bekomme ich „Taylor“ übergeben. Ein strammer Brauner, keineswegs kleiner, eher noch ein bisschen größer als Andreas Willie. Ich streichele ihn ein bisschen. Es hilft nichts, wenig später heißt es aufsitzen und dabei hatte ich, nicht Andreas die Idee mit dem Trail-Ritt.

Unser Frühstück im „Lazy Bear“
Aufsitzen, wenigstens das kann ich noch. Sofort hört „Taylor“ auf zu träumen und trottet erst mal zum Zaun, um sich zu schuppern. Wir sortieren uns irgendwie und es geht los. Vor mir landet der Familienvater mit einem stoischen Wallach, der es ganz gemütlich angehen lässt. Daddy filmt alles, ich ahne noch nicht, dass dieses Verhalten später wirklich zum Problem wird. Von Anfang an möchte Taylor schneller als sein Vordermann und stehenbleiben geht gar nicht. Die Erklärungen unseres Guides kann ich hinten nicht verstehen. Unser Weg führt uns mitten durch den Wald, es geht im wahrsten Sinne des Wortes über Stock und Stein. Ich merke schnell, dass ich Taylor vertrauen muss, wenn ich diesen Ritt genießen möchte. Die sehr schmalen Wege führen teils verdammt nah am Abgrund entlang. Schon bald queren wir einen Parkplatz mit Seilbahn. Sattelgurte werden nachgezogen. Taylor findet stehen halt blöd, also rücken wir stetig einen Platz nach vorn. Im Zick Zack geht es nach dem Parkplatz weiter durch den Wald und schließlich steil nach unten auf den ersten Fluss zu. Zu diesem Zeitpunkt sitzen wir bereits anderthalb Stunden im Sattel und der Weg kann an einem schon Angst machen. Ein Fehltritt und es gibt einen Freifahrtschein bis ins Tal – für Beide. Immer wieder läuft Taylor auf seinen Vordermann auf, weil Daddy lieber auf sein Handy als auf den Weg guckt und das Reiten dabei vergisst. Sein Pferd bleibt derweil einfach stehen und frisst, weil von oben nichts mehr kommt.
Wir mutieren zur echten Attraktion
Mehrere Male kommt mein Brauner dadurch ins Stolpern, weil er immer wieder am steilen Hang stehenbleiben muss. Auf die Flussquerung bin ich sehr gespannt. Natürlich filmt Papa, wie die Pferde seiner Töchter ins Wasser waten und vergisst prompt wieder einmal, zu reiten. Es gibt Stau, Taylor muss mitten in der Strömung stehenbleiben, was ihm überhaupt nicht behagt. Er kommt ins Rutschen und die beherzten Worte unseres Guides von hinten retten die Situation schließlich. Wir kommen nach einer weiteren Kletterpartie auf einen breiteren Weg und ich fange an, den Ritt richtig zu genießen. Jedoch meldet sich nach rund zweieinhalb Stunden tatsächlich mein Hinterteil. Taylor vertraue ich nun vollkommen, trotz seiner Stolperer, an denen er nicht schuld ist. Immer noch möchte er Gas geben. Wir queren einen weiteren Parkplatz und mutieren zur Attraktion. „Cowboys“ schreien die Leute. „Yeah“, schreie ich zurück und in diesem Moment bin ich glücklich.
Die zweite Flussquerung steht an und aus irgendeinem Grund scheut Papas Pferd am Ufer. Überraschenderweise sitzt Daddy fest im Sattel und überredet seinen Wallach, ins Wasser zu gehen. Taylor schließt sich dem Schrecken an und steht wie angegossen. Ich muss ihn ordentlich antreiben, aber wir kommen heile am anderen Ufer an. Neben uns donnert ein Wasserfall, Touristen fotografieren uns. Nach guten dreieinhalb Stunden kommen wir wieder am Startpunkt an. Ich kann kaum noch sitzen, aber was beim Absitzen auf mich zukommt kann ich noch nicht ahnen. Ich schwinge mich vom Pferd und als ich wieder auf festem Boden stehe, fangen meine Beine derart an zu zittern, dass ich kaum stehen kann. Alles tut weh. „You will realize your legs“, sagte man mir noch vor dem Absitzen, aber das. Auch Andreas geht sehr steif auf das Anmeldehäuschen zu und ich kann nicht anders – ich muss lauthals lachen. Mein Mann tut mir wirklich leid, aber diese unfreiwillige Performance sieht einfach zu komisch aus. Weniger komisch erscheint uns der Durst. Drei Stunden saßen wir im Sattel bei strahlend blauem Himmel und brennender Sonne – ohne Trinkpause. Das rächt sich jetzt.

Vom Parkplatz aus hat man einen grandiosen Ausblick über den Nationalpark
Für genug Abkühlung sollte der Kicking Horse River sorgen
Später am Abend kehren wir in der „alten Spaghettifabrik“ ein und Andreas isst die beste Lasagne seines Lebens. Die im malaisischen Dschungel wird somit vom Thron gestoßen. Wir merken wirklich jeden einzelnen Muskel, aber der eigentliche Muskelkater kommt ja bekanntlich erst am nächsten Tag. Mein Hinterteil leuchtet rot und wund, Andreas ergeht es etwas besser. Für genug Abkühlung sollte der „Kicking Horse River“ sorgen. Wie sehr er vor allem mich tritt, ahnen wir noch nicht.

Viel Zeit haben wir auf der Straße bis zu dieser Stelle verbracht. Die Einfahrt in den Banff Nationalpark
Im nächsten Blog geht es weiter und ich nehme Euch mit auf den Kicking Horse River. Hier aber noch einmal die vergangenen Beiträge und die Impressionen des Tages als Galerie:
- Roadtrip of my Life – ein langer erster Tag (1)
- Roadtrip of my life – ein sehr bayerischer Bergort in den Staaten und 336 Meilen weiter (2)
- Roadtrip of my life – irgendwie ermüdet das endlose „Geradeaus“ dann doch (3)
- Roadtrip of my life: eine lange Etappe bis zum Yellowstone – und auch die Schönste (4)
- Roadtrip of my life: „That smells horrible!“ (5)
- Roadtrip of my life: der mit dem Wolf tanzt (6)
- Roadtrip of my life: ein schlechter Start aber Wunder über Wunder (7)
- Roadtrip of my life: ein wehmütiger Abschied (8)
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