Erinnert Ihr Euch? Im letzten Beitrag landeten wir in Leavenworth, einem sehr bayerischen Ort ohne irgendeinen besonderen Grund. Heute geht es weiter, quer durch Washington State bis Idaho – ein langer Trip und Eines können wir danach: geradeaus fahren.
Der Morgen beginnt für uns friedlich. Um punkt sieben wachen wir auf und kochen uns erst einmal einen Kaffee. Es bleibt idyllisch, bis der kleine Camper-Buggy der Angestellten bei uns hält. In 20 Minuten drehen sie uns den Hahn ab, kein Wasser. Und das bis halb eins. Also organisieren wir uns um und duschen schnell im Camper. Immerhin bleiben uns noch ganze zehn Minuten um uns zu putzen. Bis auf die Pfütze auf dem Boden geht das sogar recht gut. Den widerspenstigen Spiegelschrank, der immer wieder aufging, haben wir mit einer Schraubzwinge an der Duschstange gebändigt. So schlägt uns die Tür nicht immer wieder ins Gesicht, wenn wir uns im Bad aufhalten. Wir packen noch schnell unsere sieben Sachen und gehen noch einmal hinunter zum Fluss, um ein Geburtstagsvideo aufzunehmen. Schön singen können wir zwar nicht, aber es zählt der Idealismus. Danach checken wir aus und lassen uns noch schnell zur Dumping Station lotsen, um das Abwasser loszuwerden.

Ganze viermal ändert sich die Landschaft auf der Strecke drastisch
Dort angekommen drehen wir den Deckel ab und leider erweist sich das Ventil als kaputt. Urin und Abwasser schießen uns direkt entgegen. Handschuhe kommen sofort mit auf die Einkaufsliste. Also möglichst schnell weg hier, zunächst einmal zum Supermarkt. Wir überlegen kurz, ob wir einen Einkaufswagen brauchen, entscheiden uns aber nicht eben weise dagegen. Da man im Store wirklich ALLES bekommt, hätten wir vielleicht doch lieber einen genommen. Voll bepackt geht es zurück zum Camper und los geht’s. Vor uns liegen über 300 Meilen quer durch Washington State. Die Landschaft verändert sich auf der Route ganze vier Mal drastisch. Wir verlassen die Berge und vor uns liegt ein „Tal“. Neben uns fließt ein Fluss, Plantage reiht sich an Plantage. Äpfel, Kirschen, Trauben – alles gibt es hier. Nur die Dimensionen überfordern mein Gehirn. Schaut man einmal in die Grundstücksangebote für Farmland, lassen sich diese vielleicht erahnen. Die meisten Farmen hier liegen um die 50 Acres, also 202343 Quadratmeter Größe. Die nächst größte Zahl liegt bei den Farmen, die über die 500 Acres hinausgehen – also über 2 Quadratkilometer. Rein von der Fläche her könnte man hier ganz Monaco käuflich erwerben.
Auf den brach liegenden Feldern tanzen Staubteufel
Noch ragen steile Felswände links von uns auf, sie gehen über in sanfte Hügel und schließlich geht es nur noch geradeaus. Meile um Meile. Rechts und links des Highways erstrecken sich riesige Felder, auch hier wirken die Dimensionen gigantisch. Ich definiere den Begriff „endlose Weite“ neu. Bis zum Horizont geht die Straße schnurgerade aus. Hier und da findet man ein Farmhaus, bis zum nächsten Nachbarn braucht es bestimmt eine Stunde. Ich frage mich, wie die Schulkinder hier zur Schule kommen und vor allem, wann sie morgens losfahren müssen. Schulbus fahren artet hier wohl in einen 24-Stunden-Job aus. Das Land trocknet schließlich immer mehr aus, auf den nicht bewässerten Feldern tanzen zahlreiche Staubteufel. Fehlt nur noch der berühmte trockene Busch, der hier über die Straße weht, denke ich. „Tatsächlich kennt man das genauso aus Filmen“, sagt Andreas und es stimmt. Windräder original wie im Western zieren die Felder. Karge Felsplateaus lösen das Farmland schließlich wieder ab. Immer noch stehen auf einhundert Meilen vielleicht zwei Häuser.

Stundenlang geht es geradeaus – und in der Ferne tanzen Staubteufel über den trockenen Boden.
Andreas wird zusehends müde, es geht immer geradeaus. Die Szenerie um uns herum verwandelt sich in eine ungastliche Wüste, die schließlich wieder in Felder übergeht. Vor uns liegt noch eine ganze Ecke und uns fehlt noch ein geile-Stelle-Selfie oder überhaupt ein Bild. Bislang haben wir vor allem Kilometer gemacht. Vorbei geht es an endlosen Farmfeldern mit einem Zwischenstopp inklusive Frühstück. Die „Rest Areas“ wirken hier sehr gepflegt, viele jedoch lagen nicht auf unserer Strecke. Gerade einmal zwei. Wir spüren die Meilen geradeaus und fahren erst einmal rechts ran, um die Autoschlange hinter uns vorbei zu lassen. Ein schwarzes Auto verfolgt uns schon geraume Zeit und als er mit uns rechts ranfährt, wird uns mulmig.
Will er uns überfallen?

Ein heißer, langer und kräftezehrender Tag endet schließlich in Idaho
Wir fahren weiter und der Wagen verfolgt uns. Will er uns überfallen? Abwegig scheint uns das nicht. „Wir halten nicht mehr an“, sagt Andreas und auch ich bekomme langsam Angst. „Der will uns stellen“, vermute ich. In den USA soll es ja sowas geben. „Das auch noch“, seufzt Andreas. Als wir zehn Meilen später rechts abbiegen, fährt der schwarze Wagen gottseidank geradeaus. Er wollte also vielleicht nur unseren Windschatten zum Sprit sparen nutzen. Aber auch jetzt – im Nachhinein – kommt uns diese Situation immer noch komisch vor. Die Windschatten-Theorie erscheint mir abwegig, eher hatte der Fahrer wohl doch böse Absichten. Außerdem offenbart sich uns, wie die Farmer hier ihre riesigen Felder bewirtschaften. Wir kommen an einem vollen Flughafen für Agrarflieger vorbei und nähern uns dem Staat Idaho.
Direkt hinter der Grenze kriegen wir endlich unser geile-Stelle-Selfie. Vom Hochplateau aus überblicken wir ein riesiges Tal mit Flussdelta, eine atemberaubende Aussicht. Idaho – hinter uns liegt der gesamte Washington State und die Meilen von heute stecken uns irgendwie in den Knochen. Eine Schlängelstraße führt ins Tal, an jeder Meile finden sich so genannte „Truck Runaway Lanes“. Wer nicht mehr bremsen kann, rast eben mit Full Speed eine Schotterpiste steil den Berg hinauf. Auf mich wirkt das Ganze wirklich abenteuerlich. Es geht steil bergab und wir nähern uns dem Clearwater River. Wieder sehen wir Plantagen, kleine Städtchen liegen auf unserem Weg. Schon bald landen auf dem Highway 12 und der führt uns erneut in die Berge.
Wir möchten ankommen – nach 313 Meilen durch Washington State

An der Grenze zwischen Washington State und Idaho kriegen wir endlich unser „Geile-Stelle-Selfie“
Links von uns fließt der Clearwater River, zum Anhalten bleibt uns keine Zeit mehr. Irgendwie haben wir es schon kurz vor sechs und die Strecke heute hat an unseren Kräften gezehrt. Wir möchten ankommen. Der Campingplatz liegt in Kamiah, bis dahin bleiben uns noch 30 Meilen. Kurvenreich schlängelt sich die Straße durch die Schlucht des Clearwater River, dicke Felsen liegen dicht am Straßenrand und um halb sieben erreichen wir endlich unser heutiges Tagesziel. In Kamiah fahren wir an einem Motorradunfall vorbei. Es sieht nicht gut aus, ein Mann sitzt mit Handschellen gefesselt mitten auf der Straße.
Wer in den Staaten einen Unfall mit Personenschaden verursacht, landet sofort im Knast. Darüber komme ich nicht hinweg. Wir campen direkt an der Bundesstraße in einem kleinen Wäldchen, Andreas erklärt sich mit der Hygiene des Platzes genau wie gestern nicht einverstanden. Es gibt zwar WiFi, der Empfang lässt jedoch zu wünschen übrig. Im Grunde genommen können wir uns das WiFi sparen, Netz existiert hier nicht. Vor uns liegt also ein Offline-Abend. Andi geht also sehr früh ins Bett, was vielleicht gar keine so schlechte Strategie zu sein scheint. Morgen haben wir immerhin „nur“ 451 Meilen statt 313 vor uns. Das hier die absolute Schmerzgrenze des fahrtechnisch machbaren liegt, wissen wir noch nicht. Uns erwartet die längste Etappe der gesamten Reise – und irgendwie ermüdet dieses endlose geradeausfahren durch Farmland dann doch.
Im nächsten Blog geht es wieder durch die Berge und den Clearwater National Forrest weiter zum Yellowstone National Park. Wer hier spektakuläre Bilder vermisst hat, kommt noch auf seine Kosten – soviel kann ich versprechen. Ich habe auch alle bisherigen Bilder einmal in einem flickr Album für Euch zusammengefasst. An dieser Stelle lassen wir die Galerie einmal ausfallen, auf dieser Etappe ging es vor allem um Kilometer. Zum Album geht es hier. Ganz viel Spaß beim Stöbern und wer die ersten Teile verpasst hat, kann hier nachlesen, was wir bisher erlebt haben:
- Roadtrip of my life – ein langer erster Tag (1)
- Roadtrip of my life – ein sehr bayerischer Bergort in den Staaten und 336 Meilen weiter (2)
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[…] Roadtrip of my life – irgendwie ermüdet das endlose „Geradeaus“ dann doch (3) […]
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[…] Roadtrip of my life – irgendwie ermüdet das endlose „Geradeaus“ dann doch (3) […]